Dienstag, Oktober 27, 2009

da herr dokta


Nun hab ich einen Doktor in der Familie.
Endlich.

Doktor sagen wir in Österreich zum Arzt.
Wir sagen nicht: Heute muss ich zum Arzt. Nein, wir sagen: Heute muss ich zum Doktor.
Wenn ich Doktor hör, dann fällt mir der Winter ein. Der Doktor Winter samt seiner Frau, der Frau Doktor.
Bei uns kommst als Frau ganz leicht zu einem Doktortitel. Du heiratest. Einen Doktor. Und mit ihm den Titel.
Der Doktor Winter war ein stattlicher Mann mit Goldrandbrille. Über zwei Meter hoch mit einem dicken Bauch.
Normalweise fallen bei hohen Menschen Bäuche nicht sehr auf.
Das war beim Doktor Winter anders. Weil wenn du vor ihm standest, dann hattest immer den Bauch vor’m G’sicht mit dem baumelnden Stethoskop.
Ein Stethoskop ist für einen Doktor sowas wie seinerzeit für den Lehrer das Batzensteckerl. Da hast gleich einen ordentlichen Reschpekt bei den Leuten.
Der Doktor Winter war, anders wie sein Name vermuten lässt, immer braun gebrannt. Doktor Sommer wäre passender gewesen. Er war sehr gesprächig und redete niemals in der Mundart, immer hochdeutsch – das Deutsch halt, das wir Österreicher als Hochdeutsch bezeichnen.
Die Hochdeutschen sehen das sicherlich anders.
Trotz seines Hocheutsch redete er alle Patienten mit DU an. Ich weiß nicht, warum, aber ich kenne keinen Doktor, der seine Patienten siezt. Und wenn mich einer duzt, dann duze ich auch. Wo samma denn? Das wär ja noch schöner.

Auch mein derzeitiger Doktor duzt mich. Und ich ihn auch. Als ich wegen einer starken Erkältung das erste Mal bei ihm war, hat er mir seine ganze Lebensgeschichte erzählt, die so traurig ist, dass ich sie hier nicht wiedergeben kann. Sie ist so traurig, dass ich weinen muss. Und ich bin gerade nicht in Weinlaune. Außerdem kann ich nicht gleichzeitig tippen und weinen. Eine ganze Stunde erzählte er und ich wurde wahnsinnig traurig und fing zu weinen an. Am Anfang ging’s noch, aber am Schluss war ich nur noch Rotz und Wasser.
Gott sei Dank merkte er das nicht, weil ich ja so erkältet war.
Nach dem Erzählen machte er mir ein Kompliment: Du schaust aber auch gut aus für dein Alter und ich antwortete unter Tränen: Du auch. Aber weil er verheiratet ist mit Kindern ließ ich es dabei bewenden.
Außerdem genügt ein Doktor in der Familie.

Nun aber zurück zum Herrn Doktor Winter.
Anfang des Winters, und das ist nun Zufall,dass der Doktor auch so heißt, rotzen und husten dir die Schüler ständig ins G‘sicht und es erwischt mich jedes Jahr, dass ich die Sucht bekomme.
Sucht ist in dem Fall nicht Hochdeutsch sondern Pinzgaurisch, wird mit langem U ausgesprochen – Suuuuucht – und heißt übersetzt Erkältung.
Und weil du als Lehrer eh genügend Ferien, Zwickeltage und freie Nachmittage hast, bleibst du wegen so einer kleinen Suuuucht nicht daheim. Du schleppst dich in die Schule und gehst zum Doktor, damit er dir was gibt.
Der jetzige Doktor gibt mir dann immer eine homöopathische Spritze, die zwar nicht hilft, aber weil du daran glaubst, hilft sie doch.
Der Doktor Winter gab dir nichts Homöopathisches, wohl aber eine Spritze. Spritzen waren sein Markenzeichen.
Egal, was du hattest, eine Spritze musste sein.
Zwei Mal am Vormittag gab es Spritzentermin. Einmal für die Frauen und einmal für die Männer. Massenspritzung.
Ich war jeden Winteranfang bei einer dabei. Bei der der Frauenmassenspritzung. Das war ein Erlebnis!
Die Pensionisten und Pensionistinnen des Dorfes, kamen jeden Vormittag auf ein Rheumaspritzerl, ein Herzspritzerl oder ein Bluthochdruckspritzerl .
Ich kam nicht jeden Vormittag, aber jeden Winteranfang. Wegen dem Suuuchtspritzerl. Punkt zehn Uhr war es soweit.
Der Herr Doktor riss die Tür zur Ordination auf, nahm seine goldene Brille von der Nase und rief laut in den Warteraum: Liebe Damen, hereinspaziert zum Spritzen!
Und dann marschierten alle Damen hinein, stellten sich in Reih und Glied auf, hoben ihre Kitteln mit einer Hand hoch, schoben die Strumpfhose und das Unterhoserl - einige auch das Unterhoserlzelt hinunter - und gackerten.
Ich vergaß jedes Mal zu husten und zu niesen und stellte mich immer ganz hinten in die Ecke.
Und dann ging es los. Der Herr Doktor zückte ein Spritzerl nach dem anderen, ging zur ersten in der Reihe, sagte verschmitzt: Raus mit dem Popscherl, das hamma gleich.
Die Frauen piepsten leise aua.
Sodala, schon vorbei, sagte der Herr Doktor und gab jeder zum Abschluss noch einen Klaps auf’s Popscherl. Fertig. Raus. Die nächste.
Ganz zum Schluss kam ich dran. Mir klapste er nicht auf’s Popscherl. Sein Glück. Ich hätt ihm sonst auch wo draufgeklapst. Und die goldene Brille wär dann zwar noch golden gewesen, aber nicht mehr auf seiner Nase, sondern zerquetscht am Boden.
So, Amadeaerl, das war’s. Hast eh nichts gespürt?
Na, passt schon, pfiati. Und weg war ich.
Und nach zwei Stunden die Suuucht auch.

Nun ist der werte Herr Sohn auch Doktor. Und wie es sich gehört, hatten wir Promotion. In Innsbruck. Und er musste schwören, den Eid, den hippokratischen, und er strahlte weil er nun Doktor ist und ich auch, weil ich nicht mehr zahlen muss. Und ich klatschte und knipste und war stolz. Und der Exmann war auch da. Und der klatschte und knipste auch. Und war auch stolz. Nach dem Essen las ich noch ein Gedicht vor. Eins vom Wilhelm Busch.

Nun hab ich einen Doktor in der Familie. Unfallchirurg wird er. Da muss ich noch mal reden mit ihm. Ich bin für Schönheitschirurg. Bin ja in dem Alter…

4 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Gratulation, Amadea!

Anonym hat gesagt…

A fescher Knepf ;)

Anonym hat gesagt…

Ganz die Mama.
lg teach

amadea's world hat gesagt…

Danke, saxana :-)

Das wär der Knopf, Knepf = Plural, liebe/r Anon

Sog i eh oiwei, teach.