Sonntag, Februar 25, 2007

worm feelings


Das Unvermeidliche ist passiert. Willi ist tot.
Ich fand ihn leblos in meiner Jackentasche.
Ich wollte ihn wieder beleben, aber es war zu spät.
Er wollte nicht mehr. Er war müde.
Es ist besser so.
Er ist nun an einem schöneren Ort.
Ich will nun nicht über seine letzten Stunden schreiben. Das macht mich nur traurig. Ich will mich an die schönen Zeiten mit ihm erinnern.
Die Nächte, die wir gemeinsam verbrachten. Die Stunden, in denen wir über Männer, Musik und Literatur redeten. Es gab Tage, an denen mir zuhörte, wortlos. Ich auf der Couch, er neben mir auf dem Blatt liegend.
Er war für mich da, wann immer ich ihn brauchte. Niemals gab es ein böses Wort, niemals unterbrach er mich. Er war geduldig, ein guter Zuhörer.
Sein Lieblingsplatz war der Efeu.
Es gab Tage, an denen er ruhig auf einem Efeublatt saß und mich verträumt ansah, wenn ich müde von der Arbeit heimkam und ihn fragte ob er einen gemütlichen Tag gehabt hatte. Es gab aber auch Tage, an denen er unruhig war. Ständig den Kopf hob, sich hin- und herdrehte und keine Ruhe fand.
An jenen Tagen setzte ich mich ganz nahe zu ihm, streichelte ihn ganz sanft und redete ruhig auf ihn ein. Danach schlief er fast immer ein.
Es gab aber auch Tage, an denen er übermütig war, sich unter einem Efeublatt versteckte, dann für kurze Zeit hervorlugte - mit einem verschmitzten Lächeln.
Willi liebte die Sonne. Wenn die Sonne durchs Fenster schien, lag er stundenlang regungslos auf seinem Efeublatt und war nicht ansprechbar. Nur manchmal zwinkerte er mir ein wenig zu, als wolle er mir sagen – ist das Leben nicht herrlich?
Und – sei nicht so hektisch. Leg dich hin und ruh dich aus.
Ich traf Willi vor einem halben Jahr. Das Schicksal hatte uns zusammen geführt. Ich rettete ihn sozusagen. Gemeinsam mit dem Efeu, den er bewohnte. Ganz versteckt im letzten Eck war er des Blumenmarktes war er. Er war nicht einfach zu finden. Hinter Geranien und Yucca-Pflanzen auf dem obersten Blatt des Efeus. Da saß er und wartete auf mich. Es war das Schicksal, das uns zusammen führte.
Ich hörte ihn erleichtert seufzen, als ich mit der Pflanze zur Kassa ging. Ich musste ihn einfach haben. Und ich habe es niemals bereut. Auch nicht, nachdem er jedes einzelne Blatt meines Olivenbäumchens anknabberte. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein. Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Wir hatten Höhen und Tiefen. Aber wir waren immer füreinander da.
Und ich bin dankbar für die schöne Zeit, die wir hatten.
In seinen letzten Stunden wollte er mir nahe sein. Warum wohl hätte er sich sonst in meine Jackentasche zurückgezogen? Das war eine beschwerliche Reise für ihn. Die Jacke hängt an der Garderobe in der Diele und der Efeu, auf dem er lebte, steht im Wohnzimmer.
Meine Trauer ist unendlich groß. Aber ich fühle gleichzeitig, dass es Zeit ist, in die Zukunft zu schauen. Die wunderschöne Zeit mit Willi ist vorbei.
Ich habe auch schon wieder jemanden gefunden, mit dem ich mein Leben teilen werde.
Gestern sah ich ihn. Ich wollte gerade einen Kuchen backen.
Und da war er. Im Mehlsack. Ganz oben auf. Er ist hübsch, er ist klein.
Dich kann er nicht ersetzen, Willi. Es gibt keinen zweiten Willi.
Aber du lebst in ihm weiter, Willi.
Und wann immer ich ihn ansehe, werde ich deiner gedenken.
Ich habe auch schon einen Namen für ihn, Willi.
Mehl Gibson.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein total liebevoller Nachruf. So einen wünsche ich mir auch - dann -halt - später dann.

Martha hat gesagt…

Armer Willi. Mein Beileid :(

amadea's world hat gesagt…

nephi, Der Willi ist ja eine Raupe, aber er hat so was wurmiges an sich.
Danke für dein Mitgefühl :-)

amadea's world hat gesagt…

anonym, glaubst du, dass wir das sehen von oben, was die Leut uns dann nachrufen?

Anonym hat gesagt…

spacitkommt ima auf die rolle an und ich find das so rollmööppösig bis flatterhaft schwebend-
aber nicht auf sonder

und fliegen denn..