Donnerstag, Oktober 12, 2006

the first cut is the deepest

Posted by Picasa
Über ein Jahr lang schaut er schon bei meinem Fenster rein.
Ich sehe ihn jeden Tag. Am Morgen, gleich nach dem Aufstehen. Wenn ich den Kaffee mache, kann ich gar nicht anders, als ich ihn anzusehen. Und bevor ich ins Bett gehe und die Jalousie öffne, werfe ich einen schnellen Blick auf ihn. Er schaut finster zurück.
Er ist kein schöner Berg. Zu regelmäßig, zu groß.
Ein langweiliger Berg ist er, mein Hausberg,
Da muss jeder rauf, sagen die Einheimischen. Und so pilgern die Kinder schon in der ersten Klasse hinauf. Und jeder, der da wohnt, besteigt ihn mindestens einmal im Jahr.
Bin ich froh, dass ich schon droben war. Das war vor einigen Wochen. Mit Anna. Wir machten das ganz gemütlich. Rast bei der ersten Alm, deren Namen ich vergessen habe. Ich habe kein gutes Namensgedächtnis. Für Almen schon gar nicht.
Die Aussicht war überwältigend, der Marsch erträglich. Meistens durch den kühlen Wald. Und nur ganz oben, kurz vor dem Gipfel,war der Anstieg etwas anstrengend.
Und ich sah sogar mein Haus von oben. Ein kleiner roter Punkt.
Bin ich froh, dass ich oben war. Weil nun ginge das nicht.
Ich bin verletzt. Am Fuß.
Ich habe V.sciss. reg. plant. dig. II ped dext. non. rec. Und V. sciss. min. reg. plant. pedis dext. non rec.
So steht es auf dem Zettel, den ich im Krankenhaus bekam.
Die ersten zwei Tage bewegte ich mich mittels Krücken und rollendem Schreibtischsessel vorwärts. Meistens mit letzterem, weil das war weniger beschwerlich.
Der liebe Nachbar, der unter mir wohnt und sehr lärmempfindlich ist, läutete vorgestern an bei mir.
„Sagen’s mal, was für ein rollendes Geräusch?“
Und dann sah er meinen Fuß. Dick eingebunden.
Und die Krücken sah er auch. Die sind ja nicht zu übersehen.
„Gute Besserung“, stammelte er.
„Das ist mein rollender Schreibtischsessel. Der macht so ein Geräusch, wenn ich in der Diele da über die Fliesen rolle. Schaun’S, ich kann nicht gehen. Hatte ein Glas im Fuß. Bin draufgehüpft. Und dann zerbrach es. An meinem Fuß. Und es steckte drinnen. Tief im Fleisch. Und ich blutete. Sie haben ja keine Ahnung, wie ich blutete. Ham’s schon einmal zug’schaut, wenn ein Schwein geschlachtet wird?“
„Nein“, stammelte er. „Und gute Besserung.“
Weg war er.
Nun kann ich den Krankenstand gar nicht genießen. Und das ärgert mich. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil andere Kollegen meine Stunden halten müssen. Dabei hat Lo allen gesagt, wie arm ich bin mit meinem dicken Fuß und den Schmerzen. "Sie hüpfte auf ein Glas", erzählte sie dem Kollegium. Es passierte in der Nacht von Samstag auf Sonntag.
„War es ein Sektglas?“ fragte die Kollegin, die immer alles wissen will.
"Keine Ahnung", sagte Lo. "Fragt sie selber."
Eine andere Kollegin hatte gemeint, ich hätte mich unterbinden lassen.
„Und das während des Schuljahres!“
Es war kein Sektglas. Es war ein Weinglas. Eines der schönen Sorte. Eines das in spitze und scharfe Scherben zerbricht.
Es stand neben der Couch. Hab’s eh selber hingestellt.
Wollte nur einen Kaffee machen und hüpfte auf von der Couch. Mit Schwung direkt auf das Glas, das schöne.
Nun ist es nimmer schön.
Mein Fuß ist auch nimmer schön.
Lo sagte heute, als sie meine italienischen high heels sah: „Wenn ich diese Schuhe da sehe und deinen Fuß, denk ich an die Aschenputtelgeschichte. Da gab es doch auch die Sache mit dem blutenden Fuß und dem Stöckelschuh.“
Der Fuß tut noch immer weh. Aber ich kann wenigstens ohne Krücken gehen. Naja, es ist eher ein Hatschen, ein langsames.
Den Schreibtischsessel brauch ich nicht mehr. Nicht mehr zum Herumrollen. Zum Sitzen nach wie vor.
Wenn ich liege oder sitze spüre ich nichts.
Jedenfalls nicht mehr viel. Darum liege und sitze ich meistens.
Der Arzt im Krankenhaus hat geschimpft. „Viel zu spät sind Sie gekommen. Ich kann da nichts mehr nähen“.
Ich bin wehleidig. Und die junge Schwester hat da nicht lang gefackelt. Hat mir einfach ohne mit der Wimper zu zucken den Verband herumgewickelt. „Au, Fräulein, passen’S auf! Da am großen Zeh! Ich glaub, da ist auch ein Schnitt!“ Sie hörte nicht mal. Dieses Schaf. Und mir war schlecht danach.
Was nicht viel heißt. Mir ist immer schlecht wenn ich Angst hab und mir was weh tut.
Und am nächsten Tag sagte der Arzt als er den Verband wechselte, dass man im Krankenhaus den Schnitt am großen Zeh übersehen hat.
Und nun hab ich zwei Zehen eingebunden. Den großen und den mittleren. Und unten auf der Sohle war auch noch ein Schnitt. Den ham’s auch nicht verbunden im Krankenhaus, diese Dilettanten.
Nun spür ich schon wieder ein leichtes Ziehen im Fuß. Das Schreiben wird mir zu anstrenged. Der Fuß will hoch gelagert werden.
Ich lege mich nun auf die Couch und schau mir „All about Schnitt“ an.
Das ist genau der richtige Film für heute abend.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Amadea:-) Gute Besserung, damit du bald wieder wie ein junges Füllen herumspringen kannst ;-), smiley

Anonym hat gesagt…

Och, menno!
Ich hatte dieses Jahr auch schon Krücken, da im Juli als es so heiss war allerdings.
Ich fühle mit Dir :)

amadea's world hat gesagt…

Hüpf eh schon wieder herum wie ein ein Frosch, smiley.

Bis zum Heiraten wird alles wieder gut, sagte meine Oma immer, kopffuessler :-)