Eigentlich glaube ich daran, dass, wenn man seinen Mitmenschen höflich und nett begegnet, einem dasselbe zuteil wird.
All das, was du aussendest, kommt wieder zu dir zurück
Bis vor kurzem war das auch so.
Aber seit drei Wochen zweifle ich an dieser These.
Vor einiger Zeit kaufte ich ein Handy, das nicht funktioniert.
Es ist zum Heulen.
Ich weiß nie, wer mich anruft, mein Handy piepst nicht, wenn ich eine Message bekomme, und ich kann Nummern, die mit 0 beginnen nicht anrufen.
Das heißt, ich kann gar nicht telefonieren.
Weil alle Nummern, außer der Notruf, beginnen mit 0.
Weil ich ein Handy brauche, das funktioniert, machte ich mich auf den Weg ins Geschäft, um zu reklamieren.
Ich stellte mir das ganz einfach vor.
Und ich wollte die Sache ruhig und gelassen erledigen, höflich und freundlich bleiben, mit sanfter Stimme und einem Lächeln auf den Lippen. Eine Sache von zehn Minuten.
So hatte ich mir das vorgestellt.
Nach ungefähr sechs Stunden Verhandeln ohne Ergebnis war ich nahe daran, zu explodieren.
Aber ich blieb weiterhin höflich und zuvorkommend, brachte mein Anliegen ruhig und gelassen vor, obwohl ich innerlich kochte.
Als ich merkte, dass ich nicht mehr weiterkam mit meinen Argumenten, verlangte ich den Abteilungsleiter.
Wie Sie wollen, bellte mich die Verkäuferin an.
Aber der ist heute nicht da. Das geht erst am Montag.
Am Montag stand ich wieder im Geschäft und fragte freundlich nach dem Abteilungsleiter.
Und da erschien er. Ein hagerer, ungesund aussehender Mann mit tief liegenden Augen und Glatze.
Ich erklärte ihm kurz das Dilemma, noch immer freundlich und zuvorkommend.
Er lächelte mich an. Endlich, atmete ich innerlich auf. Ich hatte in Gedanken schon ein neues Handy in Händen.
Manchmal funktionieren Dinge halt nicht so wie man will, sagte er.
Als ich ihm von meinem Versuch, ein neues Handy zu bekommen, erzählte, unterbrach er mich mit dem Satz - Sie sind viel zu nett, Sie hätten forscher und aggressiver auftreten sollen.
Sie hätten sich gar nicht einlassen sollen auf eine Diskussion.
Hätten Sie sofort mich verlangt, dann hätten Sie schon ein neues Handy. So muss ich es erst bestellen.
Ich war sprachlos.
Ich hatte mich ganz umsonst bemüht. Ich war umsonst nett geblieben, hatte mein Lächeln umsonst vergeudet, die Wut umsonst unterdrückt!
Das nächste Mal werde ich meinen Ärger laut heraus schreien, auf den Tisch hauen, in Tränen ausbrechen, meine Wut an der Verkäuferin auslassen, ihr Beleidigungen an den Kopf werfen und ihr mit dem Konsumentenschutz oder dem Anwalt drohen.
Noch besser – ich werde das Geschäft mit einer Pistole in der Hand – der Spielzeugpistole vom Fasching – stürmen, sie der Verkäuferin an die Schläfe halten und schreien- „Hände hoch, ich brauch den Abteilungsleiter, sonst bist du tot!“
Am nächsten Morgen, nach langem Hin- und Herüberlegen hat doch das Gute in mir gesiegt.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Satz „Was man nicht will, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“, richtig ist.
Ich weiß zwar nicht, ob ich dadurch zu einem neuen Handy komme.
Aber mein Gewissen ist rein, ich fühle mich stark und gut.
Ich fühle mich leicht und befreit.
Ich bin mir treu geblieben.
Ich bin richtig stolz auf mich.
Ich würde nun so gerne meine Freunde anrufen, um es ihnen zu erzählen.
Aber ich habe leider kein funktionierendes Handy.
Freitag, April 07, 2006
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1 Kommentar:
ja , das kenn ich. ich hab da meine hemmschwelle bisweilen schon so tief angelegt, daß ich mich schon aufreg wenn es noch gar nichts gibt wo man sich aufregen kann.
blöd ist nur, daß ich mich gar nicht aufregen will und daß es mir hinterher immer peinlich ist. aber als mann erwartet man von mir, daß ich gewisse dinge geregelt bekomm und lange urgenzen sind auch nicht mein ding. am liebsten würde ich einen bericht abgeben mit beigefügter erklärung wie das problem zu beheben sei und von 'zeitnaher' erledigung ausgehen. nun das funktioniert am allerwenigsten, dem der das problem lösen kann ständig in den ohren liegen geht dauert aber mitunter lange. Irgendwo reinplatzen sich wie ein irrer auführen führt meist rasch und unkompliziert zur lösung (manchmal genügt auch die drohung: man verlasse das geschäft erst wenn das problem behoben ist - muß aber von der eigenen physignomie entsprechende unterstützung haben - manche menschen wünscht man sich ja in die eigene nähe, dann hilft das nichts). der körper lernt mit der zeit das adrenalin im anlassfall rechtzeitigund in ausreichenden mengen auszuschütten, sodaß eine urgenz entsprechnde dramatisch aufgeführt werden kann. wenn es denn dann einmal doch zuviel des guten ist und man vor aufregung kein wort mehr herausbringt, genügt heftiges schwitzen wildes herumgefuchtel und schaum vor dem mund ist auch nicht schlecht und wenn es dann noch gelingt auf die quelle des ärgers zu deuten löst sich das problem im handumdrehen.
alles nur eine frage des trainings.
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