Mittwoch, Februar 22, 2006

hier am land


Im kleinen Geschäft nebenan fragt man mich ob ich ihn kenne. Den jungen Mann, der nebenan wohnt.
Ich kenne ihn nicht. Ich weiß nicht mal, dass ein junger Mann nebenan wohnt. Die einzigen, die ich aus dem Nachbarhaus kenne, sind ein altes Ehepaar. Ich sehe sie manchmal im Sommer. Den Mann den Rasen mähen und die Frau Wäsche aufhängen.
Ein anderer wohnt da noch mit seinem Hund. Aber der ist nur manchmal hier. Am Wochenende. Mit seiner Freundin.
Dann wohnt da noch das englische Ehepaar.
Die sehe ich nur manchmal spazieren gehen.
Einen jungen Mann habe ich noch nie gesehen.
Letzte Woche war großer Auflauf vor dem Nachbarhaus. Feuerwehr, Polizei, Rettung, Notarzt.
Ich vermutete, dass es was zu tun hatte mit dem vielen Schnee am Dach, weil es gleich darauf abgeräumt wurde.
Es war wegen dieses jungen Mannes, den ich nicht kannte. Er wollte sich in die Luft jagen.
Hat alle Fenster verklebt. Der Nachbar hatte den Gasgeruch wahrgenommen und die Rettung und Feuerwehr verständigt.
Er kommt aus einem schwierigen Elternhaus, erzählt man weiter.
Der Vater ohne Arbeit, die Mutter Alkoholikerin.
Viele Kinder hatten sie. Der Bub machte einen verwahrlosten Eindruck. Er war ein ruhiges Kind, unauffällig.
Und er hat sich gut gemacht. Hat eine Lehre abgeschlossen, sich die Wohnung hier gekauft.
Das sind genau diejenigen, ereifert sich eine Frau, die dir als Geisterfahrer ins Auto rasen.
Nun liegt er im Krankenhaus sagt sie und schüttelt den kopf.
Der hätte den ganzen Wohnblock in die Luft gejagt.

Und da heißt es immer, hier am Land kennen sich alle.
Hier am Land weiß man, wie es deinem Nachbarn geht.
Hier am Land ist die Welt noch in Ordnung.
Und ich weiß nicht mal, dass nebenan ein junger Mann wohnt.
Dabei wohne ich schon fast ein Jahr hier.

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