Samstag, Jänner 28, 2006

vivat mozart


Ich sitze im Kaffeehaus – vor mir eine Melange und Mineralwasser mit Zitrone.
Fällt es den Leuten eigentlich auf, wie laut es in einem Kaffeehaus ist?
Das Klirren der Gläser, das penetrant laute Geräusch der Kaffeemaschine. Heute ist es besonders schlimm. Übertragung des Herren-Weltcup- Rennens aus Garmisch in voller Lautstärke.
Vor mir die Salzburger Nachrichten mit Schwerpunkt Mozarts Geburtstag.
Auf der Titelseite eine Karikatur von Thomas Wizany – Mozart auf einem Billardtisch in koketter Pose als glo-ball-player.
Die Gruppe der abfahrtsbegeisterten Gäste starrt gebannt auf den Fernseher, Hermann Maier am Start. Ich sollte mehr Interesse zeigen als eine, die in seinem Heimatort lebt.
Einer der Zuschauer schreit laut „Hermann, gemma, du pockst des“, in steirischem Dialekt.
Vier andere nehmen am Nebentisch Platz, einer mischt Spielkarten - Prost, Manda, moch ma schnö a Spü.
Zwei deutsche Pärchen nehmen am Nebentisch Platz. Ihre Gesichter rot, ihre dicken Jacken dampfen beim Ausziehen. Ein Mann wendet mir ungeniert sein Hinterteil zu, mit dem ich mich auf Gesichtshöhe befinde.
Ich drehe mich weg und widme mich dem Leitartikel der Zeitung.
Der europäische Irrtum. Von der Suche nach der europäischen Identität ist die Rede.
Ronald Barazon schreibt, dass Identität ein sich entwickelnder Charakterzug sei.
Ich denke nach über meine eigene Identität. Ich fühle mich eher als Salzburgerin und Europäerin denn als Österreicherin.
Ich bin zu abgelenkt, um den Gedanken weiterzuspinnen.
Hermann Maier gewinnt die Abfahrt, die Gruppe grölt, das Kartenspiel wird unterbrochen. Alle prosten einander zu.
Ich entdecke Goldglitterpunkte auf meiner Bluse. Vom Vorabend. Faschingsparty in der Nachbargemeinde. Durchgetanzt mit Horst bis in den frühen Morgen.
Er, der wunderbar tanzende Kollege, hat dasselbe Gefühl für Musik und Bewegung wie ich. Es ist eigenartig - ein Gespräch zu führen mit ihm fällt mir schwer – doch beim Tanz mit ihm fühle ich die perfekte Übereinstimmung.
Jede kleine Nuance seiner Bewegung nehme ich wahr. Du musst dich beim Tanz ganz hingeben und einfach fühlen und dich leiten lassen.
Erstaunlich, du gehst auf alles ein, du spürst jede kleine Bewegung, sagt er als wir erhitzt zur Bar gehen. Er beherrscht es wunderbar, dich herumzuwirbeln und dann plötzlich ganz sanft, leicht innezuhalten und dich zu wiegen. Tanz ist wild und sanft, bestimmend und nachgebend, leise und laut.
In der Zauberflöte heißt es - ein Weib tut wenig, plaudert viel, lese ich.
Wenn man tanzt, gibt es nichts zu plaudern.
Der Klang des Wortes plaudern gefällt mir.
Es erinnert mich an die Zeit, als mein Sohn klein war.
Wenn er im Bett lag, und die Gutenachtgeschichte erzählt war, fragte er mich jedes Mal – Mama, wollen wir noch ein wenig plaudern?
Und so redeten wir noch einige Minuten von den Dingen, die im Lauf des Tages passiert waren.
Endlich ist die Abfahrt zu Ende. Der Fernseher wird ausgeschaltet. Die Männer vertiefen sich in ihr Kartenspiel. Ich lese vom „Fest Mozarts für alle“ gestern in der Stadt, von der riesigen Mozarttorte am Kapitelplatz, vom Andrang trotz der Kälte, von Mozartwürsteln und Kirschpunsch, von der Aufführung des „Divertissimo“ mit Rico Gulda, David Frühwirt, Timna Brauer & Elias Meiri, von den Geschichten aus Mozarts Leben, vom Glockenläuten zu seiner Geburtsstunde..
Manche spürten gestern den Geist Mozarts, lese ich.
Ja, manchmal spürt man ihn. Einmal, als ich hoch oben über der Stadt am Kapuzinerberg unterwegs war, und plötzlich, mitten im Wald, eine Arie hörte.
Damals, als ich diese Geschichte schrieb, spürte ich ihn auch.
Hier im Kaffeehaus spüre ich ihn nicht. Mozart ist hier kein Thema.

Happy birthday, Wolfgang Amadeus.

Du schönste Stadt am Salzachfluß
Ich schloß dich in mein Herz
Trotz täglich starkem Regenguß
Und kindlich hartem Schmerz

So schrieb thomas bernhard über salzburg.
Die stadt lockt sie an…aus aller welt.
Und heute, an diesem warmen spät-september-abend waren sie unterwegs in scharen. Die japaner, aufgeregt schwatzend, vor jahren noch kameras umgehängt, nun ausgestattet mit neuesten digitalen fotomaschinen.
Radiccio- risotto mit kürbis unter kastanienbäumen. Ich hätte doch die asiatische nudelpfanne wählen sollen.
Ein italienisches pärchen versucht, die speisekarte zu entziffern und diskutiert mit der kellnerin, die kein wort versteht.
Zwischen kirchturmspitzen und dem weichen licht der untergehenden sonne mozart in allen variationen.
Der konkurrenzkampf tobt zwischen echten und original salzburger mozartkugeln, die palette bietet alles vom zart auf der zunge zergehenden mozarttaler bis zur kugel mit marzipankern, umhüllt von heller schokolade, den riegel gefüllt mit feinem nougat umgeben von dunklem, zartbitterem schokolademantel.



Die kellnerin serviert wiener schnitzel mit pommes frites. Das pärchen ist zufrieden und strahlt.
Im cafe tomaselli gegenüber die einheimischen in feinem loden und handgemachten lederschnürschuhen. Studenten schlürfen kaffee und diskutieren angeregt. Der kellner ist seit jahren derselbe. Höflich und zuvorkommend hilft er der alten dame in den mantel. Bitt schö, gnä Frau. Ganz leicht der herbe geruch der pferde, die am domplatz ungeduldig stampfen und gemeinsam mit den fiakern auf kundschaft warten.
Unterhalb des kruzifix an der steinmauer ein müllsack mit dosen und mc donald’s bechern.
Die goldgasse lockt die japaner in ihre chinesischen restaurants. Gegenüber die tische blauweiß gedeckt, das münchner stadtwappen schmückt die fenster. Einige Amerikaner laben sich mit weißwurst, brezeln und bier und reden vom oktoberfest.
Die melange ist köstlich wie immer und der schokoladekuchen zergeht auf meiner zunge.
Als ich über die staatsbrücke gehe, blicke ich hinauf zur festung, die in magischem licht erstrahlt.
auf dem weg zu meinem auto höre ich ganz leise aus geöffneten fenstern eine mozartsonate.
Noch ist nicht alles verloren in salzburg.





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